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wiederkehr. neue einkehr.
- eine reise nach sankt petersburg -



eine zweite reise. eine reise in den frühling.

unter den verbliebenen herbstlich-winterlichen eindruck der letzten reiseschritte von petersburg zurück nach berlin im dezember mischt sich nun die lebendige farbigkeit eines wiedererwachenden, neuen eindrucks.

schwarze, bemantelte, fellstiefeltragende gestalten finden sich nun längst nicht mehr. bekanntes erlebtes mischt sich mit der neugier des zweiten neuen blickes. vertrautes aus vergangenem alltag und neugierde des moments fügen sich zu vertrauter fremdheit eines erlebens. dieser diffuse eindruck äußert sich auch in der erscheinung der umgebung - diese mischung aus assoziativem und infragestellungen eigener vorstellungen, erwartungen und mitgebrachter eindrücke - restvorstellungen und leermomente mit bildhaftem potential, die auf belebung warten. an assoziativem anknüpfend, bekannt geglaubtes aufgreifend, gewonnenes wieder belebend, neues erfahrend durch gelebte, gewonnene orientierung. und doch die bleibende alltagsferne der eigenen kurzzeitigkeit vor ort. neue fremdheit an bekannten punkten.

dazu mischt sich die unerwartete wärme. ein frühlingseindruck, den berlin (noch) nicht gab, der nun erstmals in petersburg erlebt wird - seltsam. herbstmischwetter und kälteperiode sind nurmehr verblasste schatten unter dem sonnestrahlenden himmel über der stadt jetzt - eine andere ansicht.
auch die erscheinungen der personen, in den gesichtern, erneuern das bild von der wintergehärteten russischen seele, das man so gerne mit sich herumträgt und assoziert mit den worten „winter", „kälte" und projiziert bei dem gedanken an russland, petersburg. das mag für viele momente passen, vielleicht reicht es für mehr als ein halbes jahr und ist auch sehr eindringlich.
und ist dennoch ein einaugenblick einer reise in einer zeit.


zwei augen sehen mehr. eine zweite reise - ein zweiter blick.

miniröcke und die farbigkeit der kleidung mischen sich mit der ersten wärme unter die bewegungen und malen das bild vom pittoresken peteria neu - mit viel farbigkeit, hell und belebt. der einsame erste eindruck einer einzigen reise überholt sich, nein ergänzt sich.
fünf monate später also erwacht die eingeschläferte orientierungsfähigkeit und erlaubt ein scheinbar nahtloses anknüpfen an die alltäglichkeit, die sich als struktur eines tagesablaufs über die stadt legt. und doch - der rhythmus ist der eines besuchers, die sprache immer noch nicht die des denkens, geschweige denn der eigenen äußerung. doch zumindest ist sie nicht mehr länger klangliche irritation.
eine wanderung durch die straßen und das sammeln von beobachtungen - blicklichte bewegegungen. da wächst aus dem pflaster eine straßencafekultur - erste terassen werden gelegt und auf den rasenflächen und auf bänken sammeln sich kleine trauben von sonnensuchenden - der sommer erzeugt überall ähnliche offenheiten (foto).

und aufregung. der 09. mai erzeugt einen eifer auf den straßen, der bis in die späten abendstunden hinreicht. das sieht dann etwa so aus: im dunkel der nacht arbeiten sich pinsel um die leuchtenden laternenpfähle herum und gestalten hocken mit großen farbbehältern vor mülleimern. es muss zügig gehen nur noch wenige tage. da bedeutet ein anstrich ohne große vorbehandlung und detailarbeit im schatten der nachtlichter überweißen oder nachschwärzen. im tageslicht bilden bunte sterne über den köpfen der newski-passanten eine papierparade (foto). auf den straßen ziehen frische, weiße markierungslinien - so können alle marschierenden und dabeizuschauenden die feiertagsstimmung entlang der neuen alten linie nachvollziehen, die sich im stadtzentrum ausbreitet.

eine andere linie beschreiben die eigenen füße beinahe mit der gleichen konsequenz - der weg zum deutsch-russischen-austausch. fast wie ein schulweg geht sich dieser, nur das biegen um eine andere ecke - ein bisschen neue neugier. wie ein zweites gassengegucke (foto).

und das spiel der suchenden augen zwischen bekannten parametern, ergänzungen und ungewohnten zeichen. das wechselhafte der eindrücke aus erinnertem, augenblicklichkeiten des erlebens und erwarteten aspekten ist das entdecken eines erinnerungsbildes, das man hervorgeholt nun überprüft, mit den gegebenheiten misst, um sich nicht selten wundernd zu fragen, was wirklichkeit war, was sie aus dem jetzigen eindruck heraus fortan sein wird und was sie überhaupt ausmacht. wie weit sich das erinnerte bild entfernt hat von dem unmittelbaren, wie weit es sich mischt mit diesem der wirklichkeit und mit dem der erwartung sucht man wundernd zu erfragen.
wenn also das reale der unmittelbarkeit plötzlich auf das reale des erinnerten trifft, wenn also und tatsächliches und augenblickliches einander eins werden, ist das der eindruck, der sich einem nachreisenden bietet (foto)?

alles ist also irgendwie hier nun auf einmal ein blick, fällt umher und in sich und aus sich raus und von sich aus und auf anderes. und ein blick fällt ein als eindruck. und der erzeugt neue angereicherte bilder. ein gast im modus der wiederkehr. das vertraute fremde und die fremde vertrautheit guckt der gast durch zwei augen an - eins nach hinten, eins nach vorne. der blick erzeugt sich aus der kombination. ein augenzwinkern lässt ihn sich selbst genügen - für den augen-blick (foto).

text, bilder, design: wibx

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Lena Kvadrat / artpoint / wibx
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