Berno Odo Polzer
© Lucie Jansch
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Berno Odo Polzer, Leiter des MaerzMusik-Festivals: Der Begriff Musik wirkt altmodisch Das international renommierte Berliner MaerzMusik-Festival (20.-29. März 2015) geht über die Grenzen der traditionellen Ausdrucksformen. Mehr als 10 Tausend Besucher und mehr als ein halbes Hundert Veranstaltungen machen Berlin zur Hauptstadt der zeitgenössischen Musik. Der neue künstlerische Leiter von MaerzMusik Berno Odo Polzer sprach mit 007-berlin über die moderne Kunstformen, die öffentliche Räume und die heutige Rolle des Festivals. Olga Schtyrkina, 007-berlin: Das MaerzMusik-Festival ist eines der bedeutendsten Festivals für aktuelle Musik in Deutschland. Welche Konzeption legte man ihm – als Nachfolger der Musik-Biennale Berlin – bei der Gründung im Jahre 2002 zugrunde, und welche Veränderungen hat es während der letzten 13 Jahre durchlaufen? Berno Odo Polzer: Diese Fragen kann mein Vorgänger viel besser beantworten als ich. Ich kenne das Festival und seine Geschichte natürlich, habe es seit seiner Gründung verfolgt und regelmäßig besucht. Doch zu den internen konzeptuellen Hintergründen und zu Details seiner Entwicklung sollten Sie lieber Matthias Osterwold befragen, der das Festival all die Jahre geleitet hat. Fest steht, dass MaerzMusik sich in den letzten Jahren zu einem international renommierten Festival für Musik der Gegenwart entwickelt hat. 007-berlin: Welche gesellschaftliche Vision verkörpert das MaerzMusik-Festival in dieser Zeit globaler Widersprüche und politischer Anspannung? Und welchen Einfluss hat der Veranstaltungsort, die kosmopolitischste Stadt Deutschlands, auf diese Positionierung? Berno Odo Polzer: Festivals sind für mich zunächst immer öffentliche Räume, das heisst Räume, in denen Öffentlichkeit erzeugt wird. Eine Öffentlichkeit jedoch, in der Zeit verdichtet und Wahrnehmung intensiviert wird. Das macht Festivals als Format so interessant. Das Format Festival ist dadurch aber auch von Anfang an in die Sphäre des Gesellschaftlichen und des Politischen eingeschrieben, und zwar ganz unabhängig davon, welchen Kunstformen, welchem Publikum, welchen Themen es sich jeweils widmet. |
Ensemble Mosaik © Diskruktur |
007-berlin: Welche neuen Kunstformen – wie Installationen, Performances und der Einsatz neuer Technologien – haben die Musik selbst und das Verständnis dafür, was musikalische Kunst ausmacht, verändert? Berno Odo Polzer: Diese Veränderungen geschehen ständig und in atemberaubendem Tempo. In aufregender Vielschichtigkeit verknüpfen sich unter dem Einfluss digitaler Technologien unterschiedliche künstlerische Praktiken zu neuen Hybriden, die die Genregrenzen ständig verschieben. Angesichts dieser Dynamik wirkt der Begriff Musik als eine soziale und kulturelle Konstruktion schon fast etwas altmodisch. 007-berlin: Mit welchen Herausforderungen müssen Sie als Kurator interdisziplinärer Festivals umgehen? Können Sie Beispiele nennen, die die aktuellsten Tendenzen der musikalischen Kunst wiederspiegeln, und die einen besonderen Eindruck auf Sie gemacht haben? Berno Odo Polzer: Ich habe ein persönliches Naheverhältnis zu zeitgenössischem Tanz und Performance, als Betrachter und Kurator, aber auch durch meine dramaturgische und künstlerische Zusammenarbeit mit Performerinnen und Choreographen. In diesen Bereichen haben sich in den vergangenen Jahren faszinierende Beschäftigungen mit zeitgenössischen und experimentellen Musikformen ereignet. Das Besondere an diesen Ansätzen liegt in der Sensibilität für Bühne, Choreographie und Bewegung, die allesamt auch musikalische Parameter sind. Ich denke aber auch, dass interdisziplinäre Formen von Theorie und Diskurs – verstanden als lebendige Formen des Nachdenkens jenseits akademischer Disziplinen – eine größere Rolle im Kontext zeitgenössischer Musik spielen sollten. 007-berlin: Berlin ist einzigartig dadurch, dass es, historisch gesehen, eine Nahtstelle von Ost und West ist – unter wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aspekten. Wie wirkt sich diese Besonderheit auf das Programm der MaerzMusik aus? Berno Odo Polzer: Die Geschichte dieser Stadt, in der sich die Weltordnung der jüngeren Vergangenheit so einzigartig spiegelt, ist natürlich nach wie vor präsent und spürbar. Gleichzeitig hat sich seit dem Fall der Mauer die Welt so stark verändert, dass ich all dies tatsächlich nur noch als Geschichte wahrnehmen kann. Spätestens in den letzten 5 Jahren sind auch in Berlin die Symptome einer neuen Realität massiv zutage getreten. Ich verorte das Festival eher in der gegenwärtigen Realität globalisierter, gentrifizierter Stadträume mit ihren steigenden Wohnungspreisen, schrumpfenden Freiräumen und umgreifenden Vereinheitlichungstendenzen, als in einem romantischen Bild Berlins der jüngeren Vergangenheit. 007-berlin: Im Zentrum von MaerzMusik 2014 hat unter der Losung „Nach Berlin! Nach Berlin!“ die deutsche Hauptstadt selbst gestanden. Worin bestehen, Ihrer Meinung nach, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen der Berliner Musikszene und der anderer kultureller Zentren Europas, wo Sie schon gearbeitet haben? Berno Odo Polzer: Berlin hat tendenziell von allem mehr – mit Ausnahme der Finanzmittel. 007-berlin: Welche neueren Tendenzen im Bereich der musikalischen Kunst halten Sie für besonders interessant, und welche von ihnen spiegeln sich im MaerzMusik-Festival 2015 wieder? Berno Odo Polzer: Hier möchte ich auf MaerzMusik 2015 und folgende verweisen und die Frage lieber in Form der kommenden Festivals unter meiner künstlerischen Leitung beantworten! Das Gespräch führte Olga Schtyrkina. |
Eva Reiter © Moritz Schell |
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