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Herr Ober, das Salz bitte! In Iwan Krylows Miniaturhumoreske „Demjans Fischsuppe“ lädt Demjan, ein Gutsbesitzer, seinen Freund Phoka zu Fischbrühe ein. Der Gast kann sich vor der Gastfreundschaft und dem ständig neuen Auffüllen seines Tellers kaum erwehren, weiß sich nicht mehr zu helfen und „rennt nach haus in atemloser Hast. Demjan sah nie wieder seinen Gast.“ Krylow verfasste das kleine Stück, in dem er die russische Gastfreundschaft persifliert, Ende des 18. Jahrhunderts. Die russische Gastfreundschaft – besonders wenn es um die Küche geht – kennt keine Grenzen, auch zweihundert Jahre später nicht. Dass die russischen Köche sehr nachtragend sein können, wenn man ihnen nicht mit völliger Hingabe beziehungsweise leerem Magen begegnet, weiß natürlich auch der gebürtige Moskauer Wladimir Kaminer. Doch nun versucht er sich im Duo mit seiner Frau selbst als Küchendiktator. Der Name Kaminer mag mittlerweile fast jedem Bundesbürger bekannt sein:
als Synonym für russische Betrachtungen des deutschen Großstadtdschungels,
in der die Skurrilitäten des deutschen Alltags offen gelegt werden. Nun
serviert das Ehepaar Kaminer seinen Lesern ein Kochbuch. Und wie könnte
es auch anders sein, ist es ein Kochbuch der sowjetischen Küche. „Küche
totalitär“ lautet der Titel dieser Anthologie mit Gerichten aus den Ländern
und Landstrichen der ehemaligen Sowjetunion. In zehn Kapiteln werden z.
B. die Ukraine, Sibirien, Aserbaidschan und ihre Nachbarn in ihrer kulinarischen
Landschaft umrissen. Kochrezepte scheinen ein beliebtes Thema unter russischen Autoren zu
sein (will man denn Kaminer dazuzählen). Der Schriftsteller Wladimir Sorokin,
von russischen Gerichtshöfen wegen Verdacht auf pornographische Literatur
angeklagt, versuchte sich ebenso im Metier der russischen Kochkunst. In
der ersten Ausgabe der Literaturzeitschrift „Der Freund“ (2004) veröffentlichte
er eine Reihe höchst bizarrer Rezepte, darunter: „Bücherkaviar aus Michael
Bulgakows ‚Der Meister und Margarita’“, oder „Pelmeni mit Wiener Stuhl“.
Kaminers Rezepte hingegen scheinen besser bekömmlich als Sorokins – dafür
bürgt Olga Kaminer. Wladimir Kaminer: Küche totalitär. Das Kochbuch des Sozialismus von Wladimir und Olga Kaminer, Manhattan Verlag: München 2006, 224 S., 18,- Euro. © Philipp Goll |
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