Banja, Wobla und Weniki oder eine Gebrauchsanweisung
zur russischen Sauna
Die Russische Sauna – Banja - in Berlin-Moabit existiert bereits seit
einem Jahr und bietet jedem, der wenigstens für ein paar Stunden dem
Alltagsstress und dem launischen Berliner Wetter entfliehen will, ein
gemütliches Plätzchen mit mehreren Funktionen, die über die einer herkömmlichen
Sauna im westeuropäischen Sinne weit hinausgehen.
Um sich mental auf das Banja-Erlebnis in der Stromstr. 50 vorzubereiten,
sollte man sich unbedingt mit dieser russischen Institution auseinandersetzen.
Was ist das Besondere an der Banja?
Die Tradition des russischen Dampfbades geht auf das 12. Jh. zurück
und ist als gemeinsames Produkt der slawischen und finno-ugrischen Jäger-
und Sammlerstämme aus dem Ural und Sibirien entstanden. Während die
finnische Variante heutzutage in Westeuropa weitverbreitet ist, da die
finnischen Völkerstämme im Zuge ihrer Umsiedlung nach Skandinavien ihre
Form der Sauna mitbrachten und veränderten, hat die russische Banja
von ihrer ursprünglichen Art etwas weniger eingebüßt.
Die klassische Banja ist aus Holz (meistens Kiefernholz) gebaut und
mit einem Holzofen beheizt. In der Mitte der Schwitzstube steht ein
Kupferkessel gefüllt mit Wasser, in dem gebündelte Birken- oder Eichenzweige
mit Blättern, sogenannte Weniki, eingeweicht werden.
Diese Weniki stellen die eigentliche Besonderheit des Banja-Rituals
dar. Zunächst wird für den Aufguss der Birken- oder Eichensud, der sich
im Kessel gebildet hat, mit Hilfe des Weniks auf die Steine geträufelt.
Nach dem Verdampfen wird nicht mit einem Handtuch (woher sollten die
Jäger und Sammler im 12. Jh. auch so etwas besitzen?), sondern wiederum
mit dem Wenik gewedelt, wobei man gut beraten ist, wenn man nach der
ersten Wedel-Aktion die Schwitzstube für ca. 10 Minuten verlässt und
sich mit kaltem Wasser abkühlt. Nach dieser kurzen Pause, in die man
durchaus gerne eine Tasse Tee einbauen könnte, geht es auch schon weiter:
die Weniki kommen nun zu ihrem ultimativen Einsatz, was so viel bedeutet,
dass man sich mit ihnen gegenseitig abklopft und auf diese Weise massiert,
wobei es da auch verschiedene Techniken gibt. Besonders empfehlenswert
ist es, sich von einem ausgebildeten Saunameister „bearbeiten“ zu lassen,
da es a) entspannender ist und b) er alle Bewegungsabläufe perfekt beherrscht
und so auf die jeweiligen Problemzonen, beispielsweise Rückenbeschwerden,
gezielt eingehen kann. Durch diese heilende Prozedur wird der Zellstoffwechsel
und die Durchblutung angeregt, was im Endeffekt dazu führt, dass man
sich nach der Banja wie ein junger Gott vorkommt. Ein kleiner Geheimtipp
am Rande: ein anschließendes Durchspülen der Haare mit dem Birkensud
verleiht ihnen Glanz und stärkt die Haarwurzeln!
Die besondere Rolle der Weniki wird auch deutlich, wenn man eine, heute
fast in Vergessenheit geratene Tatsache kennt: ursprünglich diente das
Banja-Ritual nicht in erster Linie dem Waschen, sondern der Reinigung
der Seele, die durch Herbeirufen von guten Naturgeistern vollzogen wurde.
Der Wenik stellte dabei eine Art symbolischer Vermittler zwischen Natur
und Mensch dar. Insofern ist das Verb „abklopfen“ in diesem Zusammenhang
genaugenommen nicht ganz korrekt, da es sich eher um ein „einklopfen“
der positiven Naturkräfte handelte. Im Übrigen galt die Eiche in Russland
schon immer als der Inbegriff von Kraft und Stärke, was u.a. die uralte
russische Tradition beweist, nach der man eine Hochzeit unter Eichen
feiern sollte, damit die Ehe lange hält. Daher sollte man sich nicht
nur auf die Birkenzweige beschränken, sondern durchaus auch von Eichenzweigen
Gebrauch machen, wer weiß, vielleicht wirkt der Brauch ja heute noch?
Zurück zur Realität.
Was die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit anbelangt, sind die Experten
unterschiedlicher Auffassung. Allgemein gilt, dass die Temperatur zwar
niedriger als die in einer finnischen Sauna ist – also ca. 80° Celsius
beträgt, die relative Luftfeuchtigkeit dafür höher und für gewöhnlich
bei ca. 30° Celsius liegt. Idealerweise war eine solche Banja-Hütte
(„Isbuschka“) an einem Fluss oder See gelegen, zwecks unmittelbarer
Abkühlung zwischen den Dampf-Gängen. Im Winter verschaffte man sich
die Abkühlung auch, indem man sich draußen mit Schnee einrieb, der in
Russland bekanntlich nicht so schwer zu finden ist. Die Schneeprozedur
ist auch heutzutage keine Seltenheit, obwohl die städtischen Banjas
mittlerweile fast immer über einen Pool verfügen. Die Zivilisation ist
eben nicht aufzuhalten!
Das mit Abstand wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Banja ist aber
ihre gesellschaftliche Funktion, was sie zu einer festen russischen
Institution macht. In der Banja wird nämlich nicht stumm vor sich hingeschwitzt,
bis man es nicht mehr aushält, wie es in den westeuropäischen Saunaeinrichtungen
der Fall ist. Der russische Banja-Besuch impliziert, dass man mit mehreren
Leuten hingeht, sich viel Zeit nimmt, sich über alles Mögliche unterhält,
kurzum, man genießt! So manches Geschäft wurde bereits in der
Banja beschlossen, ganz zu schweigen von der sogenannten Banja-Diplomatie,
die sich allerdings bisher hauptsächlich auf die russisch-deutschen
Beziehungen beschränkte.
Was erwartet Sie also in der Stromstr. 50?
Zunächst erwartet Sie ein Lächeln. Nicht dieses „Ich-werde-dafür-bezahlt-Lächeln“,
dass man schon irgendwie kennt. Nein, die beiden Banja-Betreiber Sergej
und Alexander empfangen jeden Gast mit einer solchen natürlichen Herzlichkeit,
dass man sich sofort wohl fühlt, auch wenn man zum ersten Mal da ist.
In der Vorstube sitzen in Bademäntel gehüllte Menschen, trinken Tee,
essen Tschebureki (Hefeteigtaschen mit Fleisch oder Käsefüllung) und
plaudern oder spielen Gitarre und singen Lieder.
Die Banja-Räume sind klein, aber sauber und sehr gemütlich – es gibt
zwei Schwitzräume, die jeweils Platz für 5 Personen bieten, einen Erholungsraum
mit Liegestühlen und einem großen Fernseher ausgestattet, einen Massage-Raum
und einen Gemeinschaftsraum, in dem sich auch die Bar inklusive einer
Karaoke-Anlage (falls die Gitarre mal nicht ausreicht) befindet...Am
besten, Sie schauen selbst mal rein, genießen die russische Tradition
in vollen Zügen und lassen sich vom absoluten Banja-Guru Sergej mit
einem Wenik massieren. Es lohnt sich!
© fotografiert und verfasst von Mariana Kuzmina
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