8 März. © Daniela Ließ

14. Brief aus Nizhnij

Kaum liegen Neujahrs- und Weihnachtsfest hinter uns, wird in Russland schon wieder gefeiert. Ein Russe hat mir mal verraten, das russische Volk habe unter anderem deshalb so viele Feiertage, weil es die Traditionen sehr mag und sich gerne in geselliger Runde am lecker gedeckten Tisch versammelt. In den vergangenen zwei Wochen wurden gleich drei Feste begangen,  bei denen sich mir diese Aussage zum wiederholten Mal bestätigt hat.

Soldatendenkmal, Moskau. © Daniela Ließ

Wie mir außerdem berichtet wurde, wechseln viele Feiertage in Russland des öfteren oder werden von der Regierung abgeschafft bzw. „neuerfunden“. Das hat zur Folge, dass nicht nur ich, sondern sogar die Russen selbst manchmal Schwierigkeiten haben, mit ihren roten Tagen im Kalender nicht durcheinander zu kommen.

Ewiges Feuer im Kreml in Nizhnij. © Daniela Ließ

Auch der 23. Februar gehört zu einem der erst vor kurzem eingeführten arbeitsfreien Feiertage in Russland. Dieses Datum hat seinen historischen Ursprung in der Gründung der Roten Armee. Aus diesem Anlass und im Gedenken an die Kriegszeiten und ihre Helden feiert man an diesem Tag die Verteidigung des Vaterlandes. Dazu wird allen Männern von klein bis groß gratuliert und vor allem den Veteranen und Soldaten gedankt. Der russische Außenminister hält dazu eine öffentliche Ansprache im Fernsehen, während  Präsident Putin am Denkmal des unbekannten Soldaten vor dem Moskauer Kreml einen Kranz niederlegt. Die Grundidee dieses Feiertages mit der Wertschätzung und Dankbarkeit für die sich für ihr Land aufopfernden Soldaten kommt damit deutlich zum Ausdruck. Andererseits ist jedoch auffallend, dass das Thema Krieg in Russland bis heute erschreckend aktuell bleibt und dem Militär sowie allen Männern, die im Fall der Fälle ihr Land verteidigen würden, eine hohe Wichtigkeit zuerkannt wird.

8 März . © Daniela Ließ

Ganz im Sinne der Gleichberechtigung, wie es scheint, folgt dann zwei Wochen später für den weiblichen Teil der Bevölkerung im Reigen der Feiertage der 8. März. Der internationale Frauentag ist im Gegensatz zu Deutschland in Russland arbeitsfrei. Meiner Meinung nach passt dieses Fest sehr gut zur russischen Mentalität, da sich diese unter anderem dadurch auszeichnet, dass die Männer den Frauen vermehrt schmeichelhafte Aufmerksamkeit in Form von kleinen Geschenken oder Blumen zukommen lassen. Nizhnij hat sich schon am Vorabend des Frauentages förmlich in ein Blumenmeer verwandelt und auf der Straße konnte ich beobachten, wie auffallend viele Passanten mit Sträußen umherliefen. Doch nicht nur die eigenen Männer gratulieren den Frauen, sondern auch am Arbeitsplatz werden in Russland üblicherweise Geschenke, Blumen oder Glückwunschkarten an die Kolleginnen verteilt. Sogar die Autofahrerinnen wurden von den Verkehrspolizisten mit kleinen Aufmerksamkeiten bedacht. Die Politiker haben anlässlich des Feiertages in ihren öffentlichen Ansprachen auf die heutigen Rechte der Frauen hingewiesen und lobenswerterweise deutlich werden lassen, wie wichtig die Frau für die russische Gesellschaft ist. Ich war sehr überrascht, dass diesem Fest in Russland eine so hohe Bedeutung zugesprochen wird und muss im Nachhinein allerdings ehrlich sagen, dass es mir vor allem durch die Medien und vielen Geschenke jedoch auch etwas übertrieben vorkam.

8 März. © Daniela Ließ

Die schönen Blumen anlässlich des Frauentages haben deutlich werden lassen, dass sich die Bevölkerung immer mehr nach dem Frühling sehnt. In Russland hat diese Jahreszeit am 1. März begonnen und wurde mit der Maslenitza-Woche eingeleitet, mit der man gemäß alter heidnischer Gebräuche in Russland den Winter austreibt. Neben dem Jolkafest gehört die sogenannte Fastnachtswoche in meinen Augen zu den schönsten russischen Traditionen. Das Maslenitzafest hat zwar keinen arbeitsfreien Tag zur Folge, wird jedoch eine Woche lang gefeiert, wobei jeder Tag eine andere besondere Bedeutung hat. Der Höhepunkt ist der Sonntag, an dem zum Abschluss große, ausgestopfte Strohpuppen angezündet werden. Damit sollen die Kälte sowie Wintergeister endgültig verjagt werden, um der Wärme mit der aufblühenden Natur Platz zu machen.

Strohpuppe. © Daniela Ließ

Das unerlässliche Attribut der russischen Fastnachtswoche sind die Bliny, die man mit den deutschen Eierkuchen vergleichen könnte und inzwischen zu meinem Lieblingsessen gehören. Mit ihrer runden Form sollen die Bliny die Helligkeit sowie Wärme der Sonne symbolisieren und werden deshalb an jedem Tag der Maslenitza-Woche gegessen, bevor in Russland die traditionelle Fastenzeit bis Ostern für alle Gläubigen beginnt.

Bliny. © Daniela Ließ

Die Austreibung des Winters scheint sogar Wirkung zu zeigen, denn obwohl die Wolga noch immer unter einer dicken Eisschicht liegt, kehrt mit den länger werdenden Tagen langsam aber doch ein erstes Gefühl von Frühling in Nizhnij ein. Auch die eisige Kälte hat sich nun endgültig von hier verabschiedet. Vor allem an Sonnentagen hört man jetzt die Vögel schon auffallend laut singen und kann erste tropfende Eiszapfen bestaunen. In der Stadt sind die Schneemaschinen nun verstärkt im Einsatz, da die meterhohen weißen Berge mit dem ersehnten Einsetzen des Tauwetters eine nicht zu unterschätzende „Überschwemmungsgefahr“ darstellen und der Matsch vor allem für die Fußgänger wenig angenehm ist.

Schneemaschine. © Daniela Ließ

Herzliche Grüße aus Nizhnij,
Daniela Ließ

März 2006
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