Das Berlin ABC für Russen

Liebe Russen, wir begrüßen Euch ganz herzlich als neue Bewohner Berlins. Um Euch das Leben in unserer Stadt auch so einfach wie möglich zu machen, möchten wir Euch unser Berlin-ABC mit auf den Weg geben. Es soll Euch viele hilfreiche Tipps und Informationen liefern und vor Stolperfallen im Alltag unserer Stadt schützen. In das große Loch des Humors werdet Ihr aber hoffentlich zuerst fallen, denn dorthin stürzen wir Euch nun von A bis Z.

Das Russen ABC für Berliner >>>

A

Alexanderplatz: Der Umschlagpunkt im Osten der Stadt mit dem Namen von Zar Alexander und dem berühmten "Telebaschnja". Vielleicht kommt hier ein bißchen Moskauer Heimatgefühl auf, wenn Sie am "langen Lulatsch" entlang in den Himmel blicken. Um zu wissen, wie spät es grad bei Ihrer Babuschka zu Hause ist, schielen Sie doch mal auf die Weltzeituhr, die hier steht.

B

Babuschka: Die älteren Bewohnerinnen der Stadt übernehmen in Berlin weniger die Rolle der Blumenverkäuferinnen am Metroausgang oder der liebevoll-gestrengen Großmütterchen. Sie sind hier mehr dafür zuständig, Wege zu blockieren und ARD und ZDF die Einschaltquoten zu sichern.

Berlin: Zunehmend die neue Heimat der Russen. Doch im Gegensatz zur russischen Hauptstadt verläuft das Leben in Berlin mehr in gemütlicheren und ruhigeren Bahnen. Als ehemaliger Bewohner Moskaus können Sie in Berlin also Ihren Landurlaub nachholen.

Berliner: Das sind alle die Menschen, die die Stadt bevölkern. Doch Vorsicht, nur der kleinste Teil von ihnen ist deutscher Nationalität. Sollten Sie sich mal verlaufen haben, probieren Sie es ruhig mal auf Russisch, nach dem Weg zu fragen. Die Chance, eine Antwort in Ihrer Landessprache zu bekommen, ist gar nicht so unwahrscheinlich, schließlich leben inzwischen fast 200.000 Russen in Berlin.

Bitte: Gekoppelt mit dem "Danke" werden Sie diese Worte entgegen Ihrem Heimatgefühl sehr oft in Berlin hören. Auch die Steigerungsformen wie "Bitteschön" oder "Vielen Dank" sind vor allem in den Geschäften der Stadt weit verbreitet. Beteiligen Sie sich doch einfach mal bei der Abhilfeschaffung gegenüber den Klischeevorstellungen von scheinbar unhöflichen Russen und schließen Sie sich der Höflichkeitskampagne an! Dankeschön!

Bordsteine: Die Höhe der Bordsteinkanten in Berlin liegt bei einer relativ bescheidenen Durschschnittshöhe von ca. 15 cm. Sollten Sie als Russe durch die Berliner Straßen laufen, können Sie Ihren Fallschirm also getrost zu Hause lassen.

D

Datscha: Diese netten Landerholungshäuschen der Russen finden Sie auch in Berlin. Als ländliche Gegend gelten dabei für einen Berliner die Randbezirke der Stadt. Alles dahinter ist schon Ausland. Machen Sie doch mal einen Ausflug nach Zehlendorf! Dort erleben Sie dann echtes Berliner Landleben: Dichte Gartenhauskolonien, die mit bierbäuchigen Rasenmähermännern bestückt sind. Na, wenn das kein Berliner Datschadasein ist!

Duschzeiten: Auch darauf möchten wir Sie explizit hinweisen, Sie können in Berlin zu jeder Jahreszeit eine Warmwasserdusche in Anspruch nehmen. Für Sie am Anfang des Berliner Sommers sicher noch ein Luxusartikel. Auch die spontanen Überraschungsbesuche bei entfernt wohnenden Freunden oder Bekannten haben damit ein Ende.

E

Eisverkauf: Diesen Geschäftszweig konnten die älteren Berliner Damen als Nebenverdienst auf dem Ku'damm leider noch nicht für sich entdecken. Wahrscheinlich liegt es auch an den fehlenden praktischen Bollerwägelchen.

F

Fahrrad: Viele Berliner ziehen es vor, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu rasen. Diese für Sie neue Möglichkeit der Fortbewegung sollten Sie als Russe unbedingt mal austesten, um dann als erfolgreicher Radfahrwegkonstrukteur in Moskau und Sibirien berühmt zu werden.

Fussball: Ein Wort, das Sie in Berlin öfter hören müssen. Durch den ansässigen Fussballverein ist auch die Begeisterung vieler Berliner für diesen Sport ungebrochen. Das blau-weiße Fanmeer wird Ihnen also bei Heimwärtsspielen jeden zweiten Samstag auf den Straßen entgegenschwappen. Ziehen Sie sich doch einfach etwas Rotes an und vervollständigen Sie so das Bild der Russlandflagge! Damit können Sie dann bei jedem Tor der Hertha mitjubeln, als würden es Ihre Landsleute sein, die Sie begeistern. Eine fantastische Illusion!

G

Geldscheine: Die Breite Ihres Portemonnaies wird hier wesentlich dünner, aber dafür inhaltlich bunter ausfallen. Die farbliche Anschaulichkeit mag älteren Menschen den Umgang mit den Geldscheinen wesentlich zu vereinfachen. Immer hübsch nach Farben sortieren!

Geschäfte: Auch in Berlin müssen Sie auf Ihre gewohnten russischen Produkte nicht verzichten. Es gibt eine Fülle an Geschäften, die russische Lebensmittel führen und Ihnen gleich dazu noch gratis ein Gefühl von Heimat geben. Innerhalb der Verkaufsflächen gelten nämlich die typisch russischen Einkaufsgewohnheiten.

H

Heizung: Ein weiterer Luxus, den Ihnen die Hauptstadt bietet - Sie können Ihre Zimmertemperatur selbst regulieren! Sie müssen für eine angenehme Zimmertemperatur also nicht extra bis Mitte Oktober warten, bis die Regierung die Heizleitung "freischaltet" (und um dann ständig schwitzend im T-Shirt zu sitzen) sondern können selbst ganz nach Wunsch auch im Sommer die Rohre glühen lassen.

K

Körperkontakt: Auch in Berlin gilt der deutsche eingebürgerte Sicherheitsabstand zwischen zwei Menschen. Liebespaare und gute Bekannte sind dabei jedoch ausgenommen. Somit wird Ihnen ein Berliner üblicher Weise am Anfang nie näher als 1m "auf die Pelle rücken". Suchen Sie den gewohnten engeren schnelleren Körperkontakt halten Sie sich also bitte ausschließlich an Ihre Landsleute. Denn insbesondere die Berliner Frauen verstehen da oft keinen Spaß.

Kulturszene: Ganz klar, die russische Kulturszene in Berlin boomt. In Ihrer Landessprache oder zu russlandbezogenen Themen wird kulturell so ziemlich alles geboten. Wer in Berlin als Russe über Heimweh klagt, dem ist kaum mehr zu helfen. Nur noch mit einem schnellen Klick auf www.007-berlin.de.

L

Lächeln: Das ist eine typisch menschliche Erscheinung auf dem Gesicht eines gut gelaunten Berliners. Auch wenn Ihnen der Anblick vielleicht etwas ungewohnt erscheint, müssen Sie nicht gleich die Flucht ergreifen. Das Lächeln hat auch viele Vorteile, zum Beispiel eine Straffung der Gesichtsmuskulatur. Und bei Flirtversuchen mit den Berliner Frauen und Männern ist es sowieso unerlässlich. Also lächeln bitte!

M

Mc Donalds: Auch in Berlin an jeder zweiten Ecke zu finden. Damit erleichtert sich auch für Sie aus einer russischen Metropole das Leben hier. Über Ernährungsfragen müssen Sie sich also anfangs erst mal keine Sorgen machen. Steht Ihnen jedoch mal wieder der Appetit nach russischer Küche, so besuchen Sie doch mal unsere Internetseite mit der Auflistung russischer Restaurants in Berlin.

Mütze: Im Winter können Sie Ihre Landesgenossen ganz leicht anhand der Kopfbedeckung ausfindig machen. Dabei gilt die einfache Formel : "Schapka" = Russe. Die Berliner verpönen eine Mütze zur kalten Jahreszeit geradezu und frieren lieber. Sibirien ist geographisch ja auch weit entfernt.

O

Öffentliche Verkehrsmittel: Sie finden ein gut ausgebautes und zuverlässiges öffentliches Verkehrsliniennetz in Berlin vor. Den näheren Körperkontakt zu anderen Passagieren können Sie in den öffentlichen Verkehrsmitteln übrigens problemlos vermeiden, hier gibt es wesentlich mehr Bewegungsfreiheit als in der Moskauer Metro. Die Bezeichnung der jeweiligen Haltestelle wird Ihnen in den Zügen und Bussen kurz vor jedem Halt per elektronischer Ansage ins Ohr geschrieen. Von Nuschelei und schlechter Qualität kann hier keine Rede sein. Um im Paradies des öffentlichen Nahverkehrs jedoch sicher vor BVG Kontrolleuren zu sein, sollten Sie vorher ein Studium zur Fahrkartenvielfalt der Hauptstadt absolvieren. Das ist hier nämlich die reinste Wissenschaft für sich!

Öffnungszeiten: Den schönsten Genuss, den die Berliner Geschäfte einem Russen bieten, sind die durchgängigen Öffnungszeiten. Jetzt können Sie auch ungeniert ganz wütend an die Tür klopfen, wenn zur Mittagszeit niemand im Laden steht. Schließlich sind wir doch in Berlin! Nach 20 Uhr abends sollten Sie dieses Vorhaben allerdings aufgeben, denn bis Mitternacht haben hier bisher nur wenige Geschäfte geöffnet.

P

Pilze sammeln: Ja, damit stehen Sie in Berlin vor einem echten Problem, denn die wenigen Pilze, die es innerhalb der Stadtgrenze gibt, die müssen Sie schon wirklich suchen. Vielleicht sollten Sie sich überlegen, statt dem Pilzesuchen eine neue russische Tradition und Beschäftigung in Berlin einzuführen.

Post: Die Post reist hierzulande schon fast so modern wie ein Mensch. Wenn Sie einen Brief abschicken, können Sie in der Regel damit rechnen, dass er innerhalb weniger Tage sein Ziel außerhalb der Stadtgrenze erreicht.

Presse: Auch in Berlin gilt die Presse als die vierte Macht. Sie müssen nicht mal deutsch können, um informiert zu werden, da die Russen hier ihre eigenen regionalen Zeitungen besitzen. Die Pressefreiheit ist in Berlin weitverbreitet. Mit einem Leserbrief, verbunden mit der Forderung nach mehr Schnee im Winter, finden Sie eventuell sogar einen Platz auf der Titelseite der Bildzeitung.

R

Rolltreppe: Sollten Sie es in Berlin als Russe eilig haben, empfehlen wir Ihnen an Bahnhöfen lieber auf die Rolltreppe zu verzichten, denn die Durchschnittsgeschwindigkeit der Berliner Rolltreppen passt sich dem allgemeinen deutschen Maß der Langsamkeit an. So rollen die Berliner auf ihren Treppen im Gegensatz zu den Metrorolltreppen in russischen Großstädten eher gemütlich umher.

Russendisko: Inzwischen ein Kultwort in Berlin, das auch zunehmend auf der Front von T-Shirts durch die Stadt getragen wird. Der Ursprung kommt ganz klar von Kaminer und aus den Musikboxen des Kaffee Burger. Hier erlebt man auch den einzig wahren deutsch-russischen Kulturdialog: Russen und Deutsche hotten zusammen zu russischer Muke ab. Wenn das keine Integration der russischen Nationalität in Berlin ist!

S

Sauna: Das ist der einzig wahre Verlust eines Russen in Berlin, denn die typische "Banja" werden Sie hier nicht finden. Was der Berliner unter einer Sauna versteht, ist für Sie als Russe nur ein "warmer Ofen".

Schönhauser Allee: In dieser Straße sind wir und einer der berühmtesten Russen in Berlin zu Hause. Wladimir Kaminer hat hier sein Zelt aufgeschlagen. Für seine populäre Russendisko müssen Sie jedoch einen anderen Ort aufsuchen. Die findet nämlich regelmäßig im Kaffee Burger in Mitte statt.

Siegessäule: Eines der Berliner Wahrzeichen. Die Goldverzierung erscheint Ihnen aber im Gegensatz zu den prunkvollen Zarenpalästen eher als lächerlich.

Straßenverkehr: In Berlin ist es im Gegensatz zu russischen Metropolen noch sicherer bei Rot an der Ampel zu halten. Und mit dem Halten nehmen wir es da übrigens sehr genau. Also bitte hinter der weißen Linie zum Stehen kommen und nicht mitten auf der Kreuzung! Sie können schließlich auch problemlos von dort versuchen, die Laufgeschwindigkeit alter Leute mit Ihrem Hupen zu steigern.

T

Tiergarten: Auch der Tiergarten rings um die Siegessäule wird Sie als echter landeskundlicher Russe wenig beeindrucken. Vielleicht spenden Sie ja deswegen bald mal wieder für ein Taigaprojekt in Ihrer Heimat oder tapezieren Ihre Wohnung mit einer Tundrafototapete.

Tram: Sie werden hier auch Straßenbahnen genannt. Das Gleisnetz auf den Straßen der Berliner Trams ist übrigens vollständig und ohne große Lücken. Sie können also auch nach dem Essen ganz bequem einsteigen und müssen sich nicht über Abenteuerfahrten mit Hindernissen Gedanken machen.

U

U-Bahn: Das Highlight einiger Berliner U-Bahnen sind die kleinen Fernseher, die in jedem Waggon oben angebracht sind und die jeweils aktuelle Ausgabe der Bildzeitung visualisieren. Zum Fernsehgucken müssen Sie also nicht mal nach Hause gehen. Doch Vorsicht, einschlafen in der U-Bahn kann damit enden, an der Endhaltestelle rausgeschmissen zu werden, denn die Distanzen der U-Bahnstationen sind um ein vielfaches geringer als in Russland. Also immer schön wach bleiben und Fernseh gucken!

Umrechnungskurs: Zur Eingewöhnung an deutsche Preisverhältnisse empfehlen wir Ihnen als Russen, sich einer geistigen Inflation zu unterziehen und an die Berliner Preise stets mindestens zwei Nullen anzuhängen, um eine ungefähre Vorstellung vom jeweiligen Preis in Rubel zu besitzen.

Universitäten: Die Zahl der Slawistikstudenten in Berlin nimmt immer mehr zu. Die Berliner Universitäten stellen ihnen die Räumlichkeiten für ihr Studium zur Verfügung. Dort stehen dann Sie als Russe im Mittelpunkt. Über Sie werden wissenschaftliche Forschungen betrieben und wild kulturhistorisch diskutiert. Sollten Sie einen Russischstudenten mal zufällig auf der Straße treffen, dann erkennen Sie ihn daran, dass er der Meinung ist, alles über Sie und Ihr Land zu wissen und Sie gerne als Vorführbeispiel zu einer Vorlesung in die Uni einladen würde. Diese Einladung sollten Sie nicht ausschlagen, denn für Sie wird es eine wahre Freude sein, wie sich die Studenten mit dem Aspektgebrauch herumschlagen und nicht mal wissen, dass es im Winterpalais kein Klo gab.

V

Vokabular: Sollten Sie sich in einem Gespräch mit einem urechten Ostberliner als Russe outen, werden Sie oft sofort mit der Präsentation ausgegrabener Russischvokabeln aus Sowjetzeiten Ihres deutschen Gegenübers vertraut gemacht. Auf Platz eins der Vokabelliste liegt nach Umfragen zufolge die "Druschba", dicht gefolgt von dem "Piwo". Um besonders zu glänzen, wird Ihnen Ihr Gesprächspartner auch das schöne Wort "Dostoprimetschatelnost" an den Kopf werfen, in der Hoffnung, Bewunderung von Ihnen zu ernten. Lächeln Sie höflich zurück und bieten Sie ihm Aussprachenachhilfe bei einem freundschaftlichen Bier an!

W

Warmes Essen: Die Berliner sind typische "Mittagessler". Die russische Gewohnheit, abends den Tisch mit warmen Speisen zu decken, ist hier eher weniger verbreitet, wenn man mal von den lauwarmes Pommes beim abendlichen Besuch an der Imbißbude absieht.

Wodka: Ganz klar, dieses Wort darf natürlich hier nicht fehlen. Die Wodkatrinkgewohnheiten der Berliner sind jedoch recht bescheiden. Im Supermarkt identifizieren Sie als Russe sogar die als "echte" angepriesene Wodkaflaschen als sibirisches Spülwasser. Keine Frage, in Sachen "Wodkaangelegenheiten" müssen wir Berliner noch viel lernen. Vielleicht sollte das ein Vorschlag für die nächsten Tagungen der deutsch-russischen Kulturbegegnungen sein.

Wörterbuch: Ein Wörterbuch brauchen Sie in Berlin eigentlich nicht. Die Stadt ist "meschdunarodny". Mixen Sie einfach Ihre Sprachbrocken aus allen Sprachen zusammen. Und irgendjemand wird Sie immer verstehen.

Wowereit: Klaus Wowereit ist zur Zeit der regierende Bürgermeister der Stadt. Auch er bemüht sich um eine Integration der russischen Kultur in Berlin und wurde deswegen schon öfter mal auf der Tanzfläche der Russendisko erspäht. Und das ist auch gut so!

X

X-Busse: Das X in dem Namen soll auf die schnellere Geschwindigkeit dieser Verkehrsmittel hinweisen. Den Kick der aufregenden "Marschrutkatouren" werden Sie aber hier nicht in gewohnter Form vorfinden. So wird brav nur an ausgewiesenen Haltestellen gehalten und auch Sonderwünsche werden gnadenlos abgewiesen.

Z

Zirkus: Der klassische russische Zirkus ist in Berlin kaum zu finden. Um Ihrer Sehnsucht nach dem Zirkus nachzukommen, müssen Sie sich schon selbst als Artist engagieren und werden durch Ihr Wissen bestimmt den Dank vieler Touristen ernten.

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Dieses ABC ist eine Arbeit von Daniela Ließ.

Wir hoffen sehr, den Stichwortkatalog im Laufe der Zeit zu vergrößern. Dazu würden wir uns über Anregungen, Verbesserungsvorschläge oder Ergänzungen von Ihnen sehr freuen.

Schicken Sie Ihre E-Mail bitte an: redaktion@007-berlin.de.